Suchtfaktor Gluten und Auswirkungen auf unser Gehirn
- naturheilkundefuerdich

- 26. Feb.
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Aktualisiert: 2. Apr.

Vermutlich ist jedem die schnelle und spontane Befriedigung nach dem Verzehr eines Croissants oder Muffins bekannt. Das ist keine Einbildung und niemand ist damit allein. Seit Ende der 1970er Jahre ist bekannt, dass Gluten im Magen zu einem Polypeptid-Gemisch aufgespalten wird und die Blut-Hirn-Schranke durchdringen kann. Im Gehirn angelangt, können sich die Polypeptide an die Morphinrezeptoren anheften und so eine Euphorie bei gleichzeitig beruhigender Wirkung hervorrufen. An denselben Rezeptor binden auch Opiate.
Dieser Zusammenhang wurde erstmals von Dr. Christine Zioudrou und Kollegen des National Institute of Health beobachtet. Sie bezeichnen diese stimulierenden Polypeptide als Exorphine, eine Abkürzung für „exogene morphinhaltige Substanzen“. Nicht zu verwechseln mit den vom Körper selbst gebildeten, schmerz- und stresslindernden Stoffen, den Endorphinen. Gluten und Opiate erzeugen somit die gleiche angenehme und suchterzeugende Wirkung. Weizen wirkt sehr intensiv auf unsere Psyche und Gefühle, darauf zu verzichten ist für viele Menschen schwer. Ein Entzug von Weizen und Gluten kann mit einem Alkoholentzug bei Alkoholikern verglichen werden. Allein der Gedanke daran kann nervös, wenn nicht sogar zornig machen, und lässt die Betroffenen meist an nichts anderes mehr als Gluten denken. Das klingt zwar im ersten Moment extrem, aber fühle Dich als Leser:in nun selbst hinein: Wenn allein die Idee, für zwei Wochen auf Getreide zu verzichten Widerstand auslöst, hat das vermutlich mit der Suchtthematik zu tun – andernfalls könntest Du es ja einfach mal ausprobieren.

Kaffee und Alkohol sind Substanzen, bei denen die Wirkung relativ schnell eintritt und jedem ist bewusst, dass der Körper dadurch beeinflusst werden kann. Gluten hingegen gilt als Nahrungsmittel und nicht als Substanz, die einen schnellen Kick auslöst. Daher ist vielen Menschen nicht bewusst, was Gluten im eigenen Gehirn auslöst. Wer Gluten vom Speiseplan verbannt, berichtet in der Regel nach Tagen bis Wochen nach dem letzten Glutenverzehr, dass sich die Stimmung hebt und stabilisiert. Auch eine verbesserte Konzentrationsfähigkeit und Schlafqualität werden beschrieben.

In der ersten Zeit kann es zu Entzugserscheinungen in Form von Kopfweh, Übelkeit, Müdigkeit und Gereiztheit kommen. Jeder, der schon mal gefastet hat, kennt diesen vorübergehenden Entzug und die darauffolgende Euphorie. Trotzdem kann einen ein glutenhaltiger Keks, Kuchen, Nudeln oder ein Stück Brot genau in dieser Zeit aufatmen lassen, auch wenn dies im Anschluss bereut wird. Entzugserscheinungen können leicht einen Teufelskreis entstehen lassen, greifen wir zu, hören die unangenehmen Folgen auf. Das entspricht dem Wesen von Sucht und Entzug.
Aufgrund der beeinflussenden Mechanismen von Gluten auf den menschlichen Organismus ist es keineswegs verwunderlich, dass die Nahrungsmittelindustrie sich bemüht, möglichst viel Gluten in ihren Produkten zu verarbeiten. Angesichts dessen ist es auch wenig erstaunlich, dass inzwischen sehr viele Menschen süchtig nach glutenhaltiger Nahrung sind, obwohl sie nicht nur Entzündungen fördern, sondern auch Übergewicht den Weg bereiten. Davis verwendet in seinem Buch „Die Weizenwampe“ sogar das Wort „Besessenheit“ in Verbindung mit dem Verlangen nach Gluten. Dass Zucker und Alkohol Hochgefühle erzeugen und das Bedürfnis nach mehr wecken ist bekannt, bei glutenhaltigen Produkten fehlt dieses Bewusstsein hingegen meist. Die Vorstellung, dass Gluten in der Lage ist, unsere Biochemie zu beeinflussen, bis hin zum Lust- und Suchtzentrum in unserem Gehirn, ist genauso beeindruckend wie erschreckend.

Dr. Christin Zioudrou simulierte mit ihren Kollegen am NIH den Verdauungsprozess anhand von Weizen, um zu beobachten, was geschieht, sobald wir glutenhaltige Nahrung zu uns nehmen. Unter dem Einfluss von Enzymen und der Magensäure zerfällt Gluten in verschiedene Polypeptide. Daraufhin wurden die wichtigsten Polypeptide isoliert und Laborratten verabreicht. Normalerweise verhindert die Blut-Hirn-Schranke das überwinden bestimmter Substanzen, da unser Gehirn auf viele davon im Blut hochempfindlich reagiert und einige davon unerwünschte Wirkungen hervorrufen können. Interessanterweise sind Weizenpolypeptide in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und docken nach ihrem Eintritt ins Gehirn an den Morphinrezeptoren an. Das dominante Polypeptid nannten sie Gluteomorphin. Weitaus interessanter ist aber, dass die Verabreichung des Arzneimittels Naloxon die Wirkung der Weizenpolypeptide im Gehirn blockiert. Die chemische Zusammensetzung von Naloxon stellt ein sofortiges Gegengift zu Heroin oder anderen Opiaten wie Morphin oder Oxycodon dar. Bei den Versuchstieren blockierte Nalaxon die Bindung der Weizenexorphine an die Morphinrezeptoren der Gehirnzellen. Solange glutenhaltige Nahrung verzehrt wird, erzeugt die Verdauung also morphinähnliche Substanzen, die sich an die zugehörigen Rezeptoren im Gehirn binden. Die Belohnung ist dann eine leichte Euphorie. Wird dieser Vorgang blockiert oder nur Nahrung verzehrt, die diesen Vorgang nicht hervorruft, kann es bei Menschen zu teils unangenehmen Entzugserscheinungen kommen.

Julien Venesson benennt Weizen in seinem Buch „Wie der Weizen uns vergiftet“ auch als trojanisches Pferd. Gluten regt im Darm zunächst die Zonulinproduktion an und erhöht dadurch die Darmdurchlässigkeit. So gelangt es in den Organismus, erreicht das Gehirn und verändert so unser Ernährungsverhalten. Weizen ist nahezu das einzige Nahrungsmittel mit solch einer intensiven Wirkung auf das Nervensystem. Abgesehen von Rauschmitteln wie Äthanol (z.B. enthalten in Merlot oder Chardonnay) ist Weizen eines der wenigen Nahrungsmittel, die das Verhalten ändern, angenehme Wirkungen hervorrufen und bei Verzicht Entzugserscheinungen nach sich ziehen kann.
Gluten wird mit Verhaltensstörungen und zahlreichen Erkrankungen des Gehirns in Verbindung gebracht. Hierbei handelt es sich beispielsweise um das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) bei Kindern, Autismus-Spektrum- Störungen (ASS), Schizophrenie, Ataxie, Neuropathie, Epilepsie, Migräne und Depressionen, Angst, Gedächtnisprobleme und leichte kognitive Störungen, die häufig der Alzheimer-Krankheit vorausgehen, Konzentrationsstörungen, Multiple Sklerose, (krankhafte) Stimmungsschwankungen, Tourette-Syndrom und vieles mehr.
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Anna Christina Elena Müller und René Vogel sind Heilpraktiker und Experten rund um das Thema Gluten und Ernährung. In ihrer Praxis für Naturheilkunde liegt ihr Fokus auf den Themen Ernährung, Darmgesundheit, Krankheitheitsbilderdeutung, Bewegung, einem gesunden Lebensstil und Atemtherapie. Sie arbeiten mit manuellen Therapien, wie der Fußreflexzonentherapie, der Cranio Sakralen Osteopathie und mit Methoden zur Regulation des vegetativen Nervensystems.

René Vogel
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Anna Christina Elena Müller
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Quellen:
Davis, William Dr. med. (2013): Warum Weizen dick und krank macht: WEIZENWAMPE, 19. Aufl., München: Wilhelm Goldmann Verlag
Fasano, Alessio Prof. Dr., Flaherty, Susie (2015): Die ganze Wahrheit über Gluten: Alles über Zöliakie, Glutensensitivität und Weizenallergie, 1. Aufl., München: Verlagsgruppe Random House GmbH
Perlmutter, David Dr. (2014): DUMM WIE BROT: Wie Weizen schleichend Ihr Gehirn zerstört, 1. Aufl., München: Wilhelm Goldmann Verlag
Venesson, Julien (2015): Wie der Weizen uns vergiftet: Der Ratgeber für Glutensensitive, 1. Aufl., München: riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Vetters, Simone, Dahlke, Ruediger (2016): Gutes Essen für gesunde Kinder ohne Allergien. vegan & glutenfrei, 1. Aufl., Darmstadt: Schirner Verlag



